Neue BGH-Rechtsprechung zum neuheitsschädlichen Stand der Technik
von Dr. Hermann-Josef Omsels (Kommentare: 0)
Binnen Jahresfrist hatte der BGH zum zweiten Mal Gelegenheit, sich mit der Frage zu beschäftigen, ob die Verbreitung von Produkten mit Bedienungsanleitung an einen begrenzten Empfängerkreis und ggfs. mit der Auflage, beides nur in einem bestimmten Umfang zu verwenden, für eine Erfindung neuheitsschädlich ist. Beide Verfahren endeten mit einem für den Anmelder negativen Urteil der Karlsruher Patentrichter. Sie geben nochmals Anlass davor zu warnen, irgendwelche Unterlagen, aus denen sich die Erfindung oder eine Vorstufe der Erfindung ableiten lässt, vor der Patentanmeldung ohne Geheimhaltungsvereinbarung aus der Hand zu geben.
In der soeben veröffentlichten Entscheidung BGH, Urteil vom 15. Oktober 2013 - X ZR 41/11 - Bildanzeigegerät hält das Gericht noch einmal fest, dass Stand der Technik nach § 3 Abs. 1 Satz 2 PatG/Art. 54 Abs. 2 EPÜ alles ist, was vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit durch schriftliche oder mündliche Beschreibung, durch Benutzung oder in sonstiger Weise zugänglich gemacht worden ist. Dafür reicht es aus, dass ein nicht begrenzter Personenkreis nach den gegebenen Umständen in der Lage war, die Kenntnis zu erlangen. Ob er Kenntnis erlangt hat, ist demgegenüber unerheblich.
Ein nicht begrenzter Personenkreis ist nach den Umständen des Einzelfalls in der Lage, Kenntnis zu erlangen, wenn die Weiterverbreitung an beliebige Dritte durch den Empfänger nach der Lebenserfahrung nahegelegen hat. Maßgeblich für die Beurteilung dieser Frage sind die zum Zeitpunkt der Lieferung der technischen Information bestehenden Vereinbarungen zwischen den Beteiligten oder die sonstigen Umstände der Lieferung.
Bei der Lieferung einer Vorrichtung oder der Überlassung einer schriftlichen Beschreibung oder Begleitunterlage an einen einzelnen Abnehmer kommt es sonach darauf an, ob bei der Lieferung eine Geheimhaltungspflicht ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart wurde oder sich aus Treu und Glauben ergibt oder ob zu erwarten war, dass der Empfänger der Information diese wegen eines eigenen geschäftlichen Interesses geheim halten werde (BGH, Urteil vom 15. Januar 2013, X ZR 81/11, Rn. 21 - Messelektronik für Coriolisdurchflussmesser).