Prüfsiegelwerbung
von Dr. Hermann-Josef Omsels (Kommentare: 0)
Dieses Urteil wird die Werbelandschaft sichtbar verändern: BGH, Urt. v. 21.7.2016, I ZR 26/15 – LGA tested. Wer für seine Waren mit einem Prüfsiegel wird, muss angeben, was Gegenstand der Prüfung war. Die Aufklärung muss nicht in der Werbung selber erfolgen. Sie kann beispielsweise auch auf einer Website stehen, auf die in der Werbung verwiesen wird. Wer nicht aufklärt, verstößt aber gegen § 5a Abs. 2 UWG.
Nach dessen Neufassung handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die der Verbraucher je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte.
Eine Information ist wesentlich, so der BGH, wenn ihre Angabe unter Berücksichtigung der Interessen des Unternehmers und des Verbrauchers vom Unternehmer erwartet werden kann und ihr für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers zudem ein erhebliches Gewicht zukommt.
Im Rahmen der erforderlichen Interessenabwägung sind auf Seiten des Unternehmers sein Interesse, eine Information nicht zu erteilen, der zeitliche und der kostenmäßige Aufwand für die Beschaffung der Information, die für den Unternehmer mit der Informationserteilung verbundenen Nachteile sowie möglicherweise bestehende Geheimhaltungsbelange zu berücksichtigen. Der Unternehmer kann sich aber nicht generell damit herausreden, dass er selber über eine Information gar nicht verfügt. Notfalls muss er sich eine Information mit zumutbarem Aufwand beschaffen. Erforderlich sei lediglich, dass die betreffende Information zum Geschäfts- und Verantwortungsbereich des Unternehmers gehört oder in sonstiger Weise für ihn verfügbar ist, schreibt der BGH. Damit erteilt er BGH einer verbreiteten abweichenden Auffassung in der Literatur eine Absage.
Auch wenn bei der Bestimmung, welche Information wesentlich ist, die Interessen des Unternehmers zu berücksichtigen sind, geht das Interesse des Verbrauchers an einer Information, die für ihn erhebliches Gewicht hat, in der Regel vor. Welche Information für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers von erheblichem Gewicht ist, beurteilt sich dabei nach dem Erwartungs- und Verständnishorizont des Durchschnittsverbrauchers. Die Information über die Prüfkriterien, die einem Prüfzeichen zu Grunde liegen, gehört dazu. Denn ein Prüfzeichen liefere dem Verbraucher in kompakter und vereinfachter Form eine Information zu dem damit gekennzeichneten Produkt, schreibt der BGH. Es sei ein Zeichen dafür, dass ein neutraler Dritter mit entsprechender Kompetenz die beworbene Ware nach objektiven und aussagekräftigen Kriterien geprüft habe. Der Verbraucher erwarte deshalb, dass das mit dem Prüfzeichen versehene Produkt von einer neutralen und fachkundigen Stelle anhand objektiver Kriterien auf die Erfüllung von Mindestanforderungen geprüft worden sei und die für die Güte und Brauchbarkeit der Ware als wesentlich angesehenen Eigenschaften aufweise. Insoweit sei ein Prüfsiegel vergleichbar mit einem Qualitätsurteil, das in einem positiven Testurteil (etwa der Stiftung Warentest) liege. Der Verbraucher habe daher ein berechtigtes Interesse zu erfahren, aufgrund welcher Kriterien die Prüfung durchgeführt wurde und inwieweit das Prüfverfahren im Hinblick auf die geprüften Eigenschaften des Produkts repräsentativ sei.
Es obliegt im Einzelfall dem Tatrichter zu entscheiden, was ein Prüfzeichen ist, auf dass die Rechtsprechung des BGH Anwendung findet. Im konkreten Einzelfall ging es um die Prüfzeichen LGA tested Quality und LGA tested Safety des TÜV Rheinland. Allerdings ist nicht ausgeschlossen, dass die BGH-Rechtsprechung in gleicher Weise auch auf sonstige Qualitätszeichen Anwendung findet, bei denen ein vergleichbares Interesse des Verbrauchers über den konkreten Aussagegehalt besteht. Zu denken ist beispielsweise an die Siegel von Trusted Shops, fairtrade etc.
Eine weitere interessante Frage ist, in welcher Sprache oder in welchen Sprachen die Aufklärung über die Kriterien zu erfolgen hat, die einem Prüfzeichen zu Grunde liegen. § 5a Abs. 2 UWG geht auf Art. 7 Abs. 4 der UGP-Richtlinie zurück, der im gesamten Sprachenraum der Europäischen Union gleichermaßen gilt. Beide Vorschriften sehen vor, dass dem Verbraucher die wesentlichen Informationen in klarer, verständlicher und eindeutiger Weise erteilt werden muss, woraus sich zwanglos ableiten lässt, dass der Verbraucher sie verstehen muss. Weiterhin ist zu bedenken, dass es das Ziel der UGP-Richtlinie und anderer EU-Normen im Bereich des Verbraucherschutzes ist, den grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehr im Binnenmarkt zu fördern und für alle Verbraucher ein einheitliches Schutzniveau zu schaffen. Daraus lässt sich ableiten, dass wesentliche Informationen zumindest in all den Sprachen angegeben werden müssen, in deren Sprachraum das Produkt in der EU angeboten wird. Die Sprachenfrage ist insbesondere für Online-Händler relevant, die ihre Ware im grenzüberschreitenden Verkehr anbieten.
Für den Unternehmer bereitet die Entscheidung in vielen Fällen aber auch in anderer Hinsicht Schwierigkeiten. Prüforganisationen wie etwa der TÜV sind längst nicht nur mehr national tätig, sondern prüfen ebenso in China für den chinesischen Hersteller, der daraufhin seine für den deutschen Markt hergestellte und verpackte Ware mit dem Prüfzeichen versieht. Da die Verpflichtung zur Aufklärung über die Prüfkriterien jeden trifft, der mit einem Prüfzeichen wirbt, muss der Händler gegebenenfalls beim ausländischen Hersteller die Prüfkriterien anfordern. Allerdings ist nach Informationen des Unterzeichners jedenfalls der TÜV dabei, alle relevanten Informationen zu den vom TÜV durchgeführten Prüfungen aufzubereiten und ins Netz zu stellen, damit in der Werbung mit TÜV-Prüfzeichen darauf verwiesen werden kann. weiter...